54 Einzelgebiete.
Strom, nicht Teutschlands Grenze" (Arndt), ja in der Glanzzeit deutscher Herrlichkeit im
Mittelalter floß er, wie ein zeitgenössischer Geschichtschreiber sich ausdrückt, „mitten durch
Deutschland". Die Rheinlande waren im Mittelalter der Hauptsitz deutscher Kultur und
deutscher Kaiserherrlichkeit. Bei Mainz oder in Frankfurt wurden die Kaiser gewählt und zu
Aachen gekrönt; die Rheinstraße entlang zogen sie über den Splügen nach Italien, um sich
die römische Krone zu holen; in der alten Reichsstadt Speyer endlich fanden viele von ihnen
ihre letzte Ruhestätte. Den Rhein entlang (des Reiches Psaffengasse) saßen die mächtigsten
geistlichen Kurfürsten, die Erzbischöse von Mainz und Köln. In den rheinischen Städten
feierte das Rittertum seine glänzendsten Feste, dichtete Gottfried von Straßburg fein
glühendes Epos und sang Heinrich Frauenlob seine zarten Minnelieder. Längs der ver-
kehrsbelebten Rheinstraße erblühten mächtige Reichsstädte mit einem selbstbewußten,
gewerbe- und handelstätigen Bürgertum. Machtvoll trat der Rheinische Städtebund
dem ungerechten Treiben der Ritter und Fürsten entgegen. Herrliche Dome, stolze Fürsten-
schlösser und starke Waffenplätze entstanden; hier wurde die Buchdruckerkunst erfunden. Erst
durch den politischen Zerfall Deutschlands im 30 jährigen Krieg und die Raubzüge Lud-
wigs Xiv. ward der Rhein „Deutschlands Grenze", bis er mit der Wiederaufrichtung des
Deutschen Reichs 1871 aufs neue „Deutschlands Strom" wurde.
Tas Maingebiet (Franken) in der Geschichte. Den Main entlang bestanden jähr-
hundertelang große geistliche Herrschaften, die Bistümer Bamberg und Würzburg;
Bamberg hochverdient durch die Christianisierung flavischer Völkerschaften im O., Würz-
bürg berühmt durch die Pflege der Wissenschaften und der christlichen Charitas. Am Main
liegt auch Frankfurt, der alte Handelsmittelpunkt. — In dem verkehrsreichen Franken-
land mit seinen zum Burgenbau einladenden Felsenhöhen fand das Rittertum einen
nur zu günstigen Boden, und das gewalttätige Regiment desselben beförderte hauptfäch-
lich die Erhebung der Bauern i. I. -1525. Neben der hohen Geistlichkeit und dem Adel
tat sich auch das Bürgertum in den Reichsstädten Frankens rühmlich hervor, allen
Städten der Welt voran im Nürnberg des sechzehnten Jahrhunderts, wo Bischer, Dürer,
Kraft und Hans Sachs weithin Ruhm erlangten.
In den Zeiten schwacher Kaiserherrschaft hatten auch die Frankenlande alle Leiden
der politischen Verelendung Deutschlands zu tragen. Die Mainftraße entlang zogen im
30 jährigen Krieg die Heere Gustav Adolfs und zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Truppen
des korsischen Cäsars. Noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts galt die „Main-
linie" sehr mit Unrecht als eine natürliche Scheidewand zwischen Nord- und Süd-
deutschend. Das Mainland ist indes weit mehr eine „Brücke" zur Verbindung von
Nord und Süd, und sein blühendes Berkehrsleben verdankt es vor allem diesem glück-
lichen Umstand.
Und welch glanzvolle fränkische Namen weist die Geschichte der deutschen Dichtkunst
auf! Franken ist die Heimat des gedankenreichsten Sängers der höfischen Poesie, Wolframs
von Eschenbach, und das Mainland schenkte uns Goethe. Im letzten Jahrhundert wurden
hier Friedrich Rückert, Graf Platen und Jean Paul geboren.
Schwaben in der Geschichte. Mit den Franken wetteifert in geschichtlicher Bedeutung
der wackere Stamm der Schwaben. Nicht weniger als vier große Herrscherhäuser hat er dem
deutschen Volk gegeben: die Staufer und die Welfen, die Hohenzollern und die Zäh-
ringer. Dem stark ausgeprägten Freiheitssinn des Stamms ist die Entstehung der
vielen freien Reichsstädte zuzuschreiben. Mit der Freiheitsliebe des Schwaben paart
sich seine altbewährte Tapferkeit, die Uhland in der Schwäbischen Kunde treffend zeichnet.
Die Schwaben galten als so wehrhaft und streitbar, daß sie die Vorfechter des Reichsheeres
bildeten und das Vorrecht genossen, immer das Reichsbanner in den Kampf zu tragen,
eine Ehre, die bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bei Württemberg verblieben ist.
Mit diesen echt männlichen Zügen vereinigt das schwäbische Volk jene wundersame
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Extrahierte Personennamen: Arndt Gottfried_von_Straßburg Heinrich_Frauenlob Heinrich Hans_Sachs Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Cäsars Wolframs
von_Eschenbach Goethe Friedrich_Rückert Friedrich Jean_Paul
Extrahierte Ortsnamen: Mainz Frankfurt Aachen Rheinstraße Italien Rhein Mainz Rheinstraße Deutschlands Rhein Main Bamberg Main Frankfurt Franken- Frankens Deutschlands Mainland Nord Mainland Schwaben Schwaben Schwaben Württemberg
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nutzt, teils als Ruinen ba.1) — Das vor Jahrhunderten berühmte Erfurt war zu einer bescheibenen Mittelstabt herabgesunken.
(Nach Dr. Alfreb Overmann n. a.)
63. Schiller in Erfurt.
Zugult und September 1791.
1. Aufenthalt in Erfurt: Schon zu Ansang 1791(31. Dez. 1790 bis 11. Jan. 1791) hatte Schiller mit seiner Gemahlin von Jena aus für kurze Zeit in Erfurt geweilt. Leiber knüpften sich für den Dichter an biesen Besuch sehr trübe Erinnerungen, ba ihn ein heftiges Katarrhfieber zwang, für einige Zeit Bett und Zimmer zu hüten. Doch suchten ihm seine Erfurter Frennbe die Lei-benszeit so erträglich wie möglich zu machen, und auch der Koab-jutor Karl Theobor v. Dalberg besuchte ihn mehrmals.
Rückkehr nach Jena: Bereits am 11. Januar kehrte Schiller nach Jena zurück, die Tage bebauernb, die er in Erfurt durch feine Krankheit verloren hatte. Gegen Frau v. Stein, die innigen Anteil an feinem Leiben nahm, hat er sich später bcchin geäußert, daß er bei dem Anfall geglaubt Hätte, sterben zu müssen. Die Kräfte stellten sich nur langsam wieber ein, ja, es fehlte sogar nicht an Rückfällen. Schon acht Tage nach feiner Rückkehr erkrankte Schiller von neuem, und ein starkes Fieber entkräftete ihn so, daß die geringste körperliche Anstrengung ihm eine Ohnmacht zuzog. Doch gelang es der liebevollen Pflege seiner Gattin und den sorgsamen Bemühungen zweier Aerzte, das Gespenst des Knochenmannes abermals zu bannen, und mit der erneuten Lebenslust erwachte in Schiller auch von neuem der Wunsch, sür zwei bis brei Monate zu seinen Frennben nach Erfurt zurückzukehren.
Vorbereitungen für den 2. Aufenthalt: Er beauftragte
darum unterm 21. Mai brieflich den Professor Dominikus, ihm eine passenbe Wohnung von einigen Zimmern und etwa 3 Kammern in einem Privathause zu besorgen, weil ihm ein so langer Ausenthalt im Gasthofe zu teuer käme. Doch bürste das Logis nicht zu weit von der Hofstatt (b. i. der Statthalterei, dem heutigen Re-gieruugsgebäube) entfernt liegen. Als Mietspreis bestimmte Schiller monatlich 7—8 Taler; im ganzen wollte er, wenn er brei Monate bliebe, bafür 4—5 Louisbor (Golbstück = 20 Frank) anlegen.
Abermaliger Aufenthalt: Zunächst freilich nutzte Schiller
nach Karlsbab zur Kur, so batz er erst im August mit seiner Gemahlin zur Nachkur in Erfurt eintreffen konnte. Beibe haben dann
i) Heute ftnb von diesen nur noch die Aegidienkirche und die Türme bet Bartholomäus- (Anger), der Johannis- (Johannesstraße), Nikolai- (Augustiner* strafte', Georgs- (Geotqsgctffe) und Paulskirche (T'aulstraße) vorhanden.
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Extrahierte Personennamen: Alfreb_Overmann Schiller Schiller Karl_Theobor Karl Dalberg Schiller Schiller Dominikus Schiller Frank) Schiller August
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sandle sofort eine ansehnliche Summe an Schillers Gattin, wobei er freilich bemerkte, daß er sich aus eine bestimmte Erhöhung der Pension „alleweile" nicht einlassen könne.
Rückkehr: Obwohl Schiller und seiner Gemahlin die Tage
in Erfurt angenehm verflossen, suhlten sich beide doch nicht ganz wohl hier. Sie sehnten sich nach der eigenen Häuslichkeit und kürzten deshalb den noch auf längere Zeit berechneten Aufenthalt ab. — Ihre Abreise erfolgte am 1. Oktober. (Nach Albert Pick.)
64. Französische Emigranten in Erfurt.
Ihre Ankunft: Die französischen Ausgewanderten, die in
den Rheinstädten eine Zuflucht gefunden halten, flohen bei Au-nährnng der Franzosen weiter ins deutsche Land hinein. Dabei wählten viele Erfurt als neuen Wobnsitz, da man ihnen von befreundeter Seite die Stadt vorteilhaft geschildert hatte.
Seit Anfang 1795 kamen sie in großer Zahl hier an. Unter ihnen waren viele, die einst eine glänzende Rolle gespielt Hatten. Ehemalige Erzbischöse, Bischöfe, Aebte und dergleichen kamen zum Brühlertor hereingepilgert, und säst alle boten einen herzzerreißenden Anblick dar. Mit Bündelchen auf dem Rücken und mit zerrissenen und zerlumpten Kleidern hielten sie ihren Einzug. Einer von ihnen erzählte mit heilerer Miene, daß er nichts anderes gerettet habe als die Bibel, die er unter dem Arm trug. Tatsächlich hatten viele nicht einen roten Heller mehr in der Tasche; sie wußten nicht, wo sie einen Bissen Brot hernehmen, womit sie ihr Schlasgeld bezahlen sollten. Piele gingen barsuß, und dabei war es mitten im Winter. Sie erzählten auch, daß manche unterwegs liegen geblieben und erfroren wären.
Ihre Lebensweise: Mitte Februar waren, wie durch Be-
auftragte des Rates festgestellt wurde, schau über 1000 Vertriebene in der Stadt. Man räumte ihnen die Schottenkirche zum Gottesdienst ein. In ihr wurde von jetzt ab französisch gepredigt. Besonders ernst und streng begingen sie die heilige Woche. Viele speisten die ganze Zeit hindurch kein Fleisch. Alle Speisen, die sie genossen, mußten mit Cel geschmelzt sein, weil ihnen selbst die Butter verboten war. Auch erschienen viele in schwarzen Kleidern, die sie in den letzten Tagen gar nicht mehr ablegten.
Gezwungene Beschäftigung: Mancher von den Emigranten, der einst bessere Tage gesehen halte, war gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt durch Anfertigung kleiner Handarbeiten zu verdienen. So verkaufte bei der Feier der Peterkirmfe (Sonntag nach Ostern) auf dem Roßmcirkle (Herrmannsplatz) ein ehemaliger französischer Herzog Handkörbchen, Schächtelchen und Kästchen, die er selbst aus Pappe angefertigt hatte. Von seinem Stand aus rief er den Vorübergehenden sorlwäbrend zu: „Achetez des corbeilles
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— 35 —
„Und so starben mir Aermsten dahin die lieben Verwandten, Und mein Königsstamm nahet dem Ende sich mm."
Nie wieder hat es ein Königreich Thüringen gegeben. Der Name Thüringen ist zwar geblieben, aber er gilt heute nur noch für ein wesentlich kleineres Gebiet. (Nach G. Größler.)
10. Radegunde, Prinzessin von Thüringen,
Königin von Frankreich.
Jugend: Radegunde, König Berthars Tochter und Enkelin
Bisinos, kam schon früh an den Hos ihres Oheims Jrminfrid. Da die Mutter gestorben war, hielt es der Vater wohl für geraten, seiner hochgebildeten Schwägerin Amalaberga die Tochter zur Erziehung zu übergeben. Auch den Vater verlor Radegunde bald. Wir wissen zwar nicht, in welchem Kampfe er getötet wurde, doch ist er schon vor Jrminfrid gefallen. In einem zweiten Liede „An Artachis"1) läßt Radegunde Fortnnatns für sich sprechen: „Erst ist der Vater gefallen, ihm folgte der Onkel im Tode, Beider Geliebten Verlust traurige Wunden mir schlug."
Auf Burg Scidingi verlebte Radegunde sonnige Tage der Kindheit in Gemeinschaft mit ihrem Vetter und Jugendgespielen Amalasrid. J'n dem Briefe „An Amalasrid"2) gedenkt sie der glücklichen Jugend:
„O, so gedenke doch nur, was in Frühlingstagen der Jugend, Lieber Amalasrid, ich, Radegunde, dir war.
Wie du mich damals geliebt, ein hold ausblühender Knabe, Du, den des Himmels Huld gütig zum Vetter mir gab. Damals ersetztest du mir den gemordeten Vater, die Mutier, Schwester und Bruder, du warst alles, du Einziger, mir! Wenn du mich nahmst in den liebendenarm, wenn küssend ich an dir Hing, ergötzte das Kind höchlich ein freundliches Wort.
Eine Stunde getrennt von dir, zum unendlichen Zeitraum Ward sie mir." —
In fränkischer Gefangenschaft: In dem Kriege Jrminsrids mit den Franken wurde sie von den Feinden gefangen genommen und mit ihrem Bruder eine Beute des Königs Chlotar. Sie war damals gegen 10 Jahre alt. Chlotar ließ sie in sein Reich bringen und auf einem feiner Meierhöfe von den besten Lehrern unterrichten. Damals schon las Radegunde am liebsten die Bibel und die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Sie sollten ihr das Vorbild ihres eigenen Lebens werden; auch suchte sie durch allerlei Selbstpeinigungen Gott wohlgefällig zu fein.
j) Sohn einer Tochter Amalabergas.
2) Nach einer Uebersetzung von Dr. Aug. Wilhelm.
3*
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Extrahierte Personennamen: König_Berthars Bisinos Amalaberga Scidingi Amalabergas Wilhelm
Iii. Bus der Geschichte Erfurts von 1§00 ad.
Stellung Erfurts zu Mainz und Sachsen und zum Reich: Um den Aufruhr der niederen Schichten der Bevölkerung, die durch die Straßensperre während der Streitigkeiten der Stadt mit Mainz und Sachsen (s. Nr. Ii) in große Not geraten waren, abzuwenden, hatte der Rat den Frieden von Amorbach und Weimar geschlossen (1483). In der Amorbacher Urkunde erkannte er das Mainzer Erzstist als den „rechten Erbherrn" an, dieses aber ließ Erfurt bei allen seinen Obrigkeiten, Herrlichkeiten, Gnaden, Freiheiten, Rechten und Gewohnheiten, die ziemlich bedeutende waren; denn außer der Erhebung des Marktzolls, der Freizinsen und eines geringen Anteils an der Gerichtsbarkeit standen dem Erzbischos keine weiteren Rechte mehr zu. Trotzdem war der Amorbacher Vertrag ein großer Sieg des Erzbischoss. Seine Anerkennung als „rechter Erbherr" der Stadt durch den Rat machte eine Entwicklung Erfurts zur völligen Unabhängigkeit von Mainz für die Zukunft unmöglich. Durch den Weimarer Vertrag aber, der Erfurt unter die Schutzherrschaft Sachsens brachte und ihm eine Steuer von fast unerschwinglicher Höhe auslegte, wurde geradezu eine Doppelherrschaft von Kurmainz und Kurfachfeu über die Stadt geschaffen und ein Zustand herbeigerührt, der in der Folge zu weiteren Kämpfen beider Gewalten um den Besitz Ersurts führen mußte. — Von 1417 bis 1471 war Erfurt als Reichsstadt angesehen worden, wie seine Ladungen zu den Reichstagen beweisen. Durch die Belehnung des Rates und der Bürgerschaft mit dem Reichslehen Kapellendorf (1352) war das Reich Erfurts „rechter Herr" und jene „des Reiches liebe Getreue" geworden; Erfurt hatte feit dieser Zeit den Königen die Lehenshuldigung geleistet, die zugleich die Hoheitshuldigung in sich schloß. Ta nun Kapellendorf auch nach 1483 der Stadt verblieb, fo war scheinbar nichts an der unmittelbaren Verbindung Erfurts mit dem Reiche geändert worden; aber wie schon oben gesagt, war es durch den Amorbacher Vertrag der Stadt unmöglich, sortan sich der anerkannten Macht des Erzstifts zu entziehen und in die Reihe der Reichsstädte einzutreten.
Geldnot Erfurts: Beide Verträge hatten über Erfurt eine
große Schuldenlast gebracht, die noch durch die in dieser Zeit eintretende allgemeine Geldentwertung bedeutend vergrößert wurde. Letztere hatten ihren Grund in der außerordentlich starken Ausbeutung der Edelmetalle im Harz und im sächsischen und ungarischen Erzgebirge und in dem Hereinfluten des überseeischen Gol-
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bett prächtigen, zweistöckigen (Srfer, der in feinem giebelcirtigen Abschluß fast benfelben Ansban wie der stattliche Türeingang zeigt. i Der 3vjährige Krieg: Wie aber schon gesagt, hielt bic
Besserung der Verhältnisse nicht an; durch den 30jährigen Krieg, in dem Erfurt furchtbar zu leiben hatte, würde fein Wohlstanb voliftänbig vernichtet (f. Das Erfurter Laub im 30jährigen Kriege, Nr. 47). Von den großen Heerführern biefer Zeit, sah die Stadt nur den Schwebenkönig Gustav Aböls, der am 22. September 1731 einritt (f. Nr. 48, 49, 50 u. 51). Er zeigte sich sehr hulbvoll und schenkte Erfurt viele Kloftergiiter; auch der Universität nahm er sich warmherzig an. Durch eine Verfügung vom 9. Oktober 1632 aus Nörblingen überließ er Erfurt alle weltlichen Rechte, die einst dem Erzbischof zugeftanben hatten, den Mainzer Hof, die fünf Kiichenbörfer, die beiben Stifter, 8 Klöster und enblich die noch dem katholischen Gottesbienste geweihten Pfarrkirchen. Er wollte die Stadt „für die dem evangelischen Wesen treu geleistete Assistenz" belohnen und zur Wieberaufrichtung der „fast gar zerfallenen uralten Akabemie" beitragen, zu bereu Förberung er schon im Jahre vorher der Stadt das Negier Kloster überwiesen hatte. Der Oberhoheit behielt der König sich freilich „in alleweg" vor. Doch schon der Prager Friebe 1635 brachte eine Aenberung der Erfurt so günstigen Verhältnisse. Der Kurfürst und die Klöster traten nach dem Abzüge der Schweden wieber in ihren alten Be-sitzsianb ein, ebenso würden die beiben Stiftskirchen von den
Evangelischen geräumt. Die Universität, welche auch die ihr zugelegten Kloftergiiter wieber verlor, sank in den alten traurigen
Zustanb zurück; benn der Rat war nicht imstanbe, ihr den Verlust aus eigenen Mitteln zu becken. Zwar kehrten die Schweden
unter Bauer schon im folgenben Jahre in die Stadt zurück, nachdem sie biefetbe am 19. Dezember heftig beschossen hatten (f. Nr. 52); aber sie kümmerten sich nicht um ihre Verwaltung. Der Rat konnte nach eigenem Ermessen schalten und walten, und auch dem Kurfürsten von Mainz, feinen Beamten und der katholischen Geistlichkeit sicherten die Schweden die Erhaltung ihrer Güter und Rechte zu. Die ihnen gänzlich überlassene Eyriaksburg würde ebenso wie die Stadt aufs neue befestigt. Den hohen und starken Turm am Brühler Tor ließen die Schweden nieberreißen, auch legten sie den Wall weiter zurück, um die Burg mehr von der Stadt zu entfernen und biefe ihr unterzuorbnen. — Währenb der noch übrigen Dauer des Krieges finb die Schweden in Erfurt geblieben. Der letzte Teil der fchwebifchen Besatzung hat sogar erst 2 Jahre nach dem Friebensschlnß die Stadt verlassen, die nun auch baran beulen konnten, das Friebensfest zu feiern, herzlich froh, daß die schreckliche Kriegszeit enblich vorüber war (f. Nr. 53, 54, 55).
Innerhalb des balb 20jährigen Aufenthaltes der Schweden, in welcher Zeit die Stadt boliftänbig frei von Mainz gewesen,
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lichen Fürsten das Recht, sich für die an Frankreich verlorenen Gebiete durch Besitznahme geistlicher Landgebiete auf dem rechten Rheinufer und innerhalb Deutschlands zu entschädigen. Für Preußen wurden diese Entschädigungen in einem Vertrage vom 23. Mai 1802 genauer festgesetzt. Es erhielt für einen Verlust von 48 Quadrat-meilen mit 140 000 Einwohnern einen Gewinn von 220 Quadrat-meilen mit 520 000 Einwohnern, darunter das Mainzer Eichsfeld und das Erfurter Land. Durch einen Erlaß vom 6. Juni 1802 erklärte König Friedrich Wilhelm Iii. diese Gebiete für seinen Besitz. Ju Erfurt hatte man hiervon noch nichts Bestimmtes gehört, als am 5. August für das hier in Quartier stehende Kaiserliche Bataillon der Befehl zum Abmarsch eintraf. Er erfolgte vom 12. bis 17. August. Wenige Tage darauf wurde allen Ortschaften des Kreises und der Stadt ein Schreiben der Kurfürstlichen Regierung bekannt gegeben, welches das Einrücken der preußischen Truppen als bevorstehend mitteilte. Tatsächlich war in der Nacht vom 20. zum 21. das preußische Besatzungskorps, bestehend aus einem Bataillon Dragoner und 3 Bataillonen Infanterie, zusammen 3500 Mann, unter den Generalleutnants von Voß und v. Wartensleben in das Erfurter Land eingerückt und stand in Ilversgehofen. Nachdem am 21. August in der Frühe ein Offizier in die Stadt gekommen war und der versammelten Regierung die Besitznahme angezeigt hatte, rückten um 9 Uhr die preußischen Truppen durch das Krämpsertor in die Stadt ein. Am Tor wurden sie von einer Abordnung des Stadtrates empfangen. Dann marschierten sie nach dem Platz vor den Graden, wo die vom Petersberg kommende kurmainzische Besatzung dem neuen
Landesherrn Treue schwur und unter die preußischen Soldaten
verteilt wurde. Tore und Zitadellen waren inzwischen besetzt worden. Nunmehr wurde auf der Statthaltern, dem Rathaus,
und an allen Toren der preußische Adler entfaltet und die Besitz-nahme-Urkunde angeschlagen. Die Infanterie quartierte man bei den Bürgern ein, die Dragoner aber kamen auf die Dörfer. — Durch den Reichs-Depntations-Hauptschluß in Regensburg vom 25. Februar 1803 wurde die Einverleibung endgültig anerkannt, und die kaiserliche Bestätigung erfolgte bierzu am 27. April 1803. Nunmehr entschloß sich auch der König, das neuerworbene Land persönlich auszusuchen. Am 30. Mai 1803 traf er mit seiner Gemahlin in Erfurt ein und stieg in der ehemaligen Statthaltern ab (f. Nr. 65). Durch die wiederholten Besuche des Königs-Paares, vor allem aber durch das leutselige Wesen desselben
söhnten sich die Erfurter mit der neuen preußischen Verwaltung aus, die ihnen infolge der knappen, soldatischen Art anfangs nicht behagt hatte.
Erfurt unter französischer Herrschaft: Aber schon 1806
endete die neue Herrschaft Preußens über Erfurt. Drei Tage nach der Schlacht bei Jena (14. 10. 1806) ergab sich die Stadt schimpf-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm August August August
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tu na Sachsen, eine von den 8 Provinzen,1) in die der preußische Staat durch die neue Verwaltungseinrichtung geteilt wurde. Jede der Provinzen, an deren Spitze ein Ober-Präsident gestellt wurde, zerfiel in zwei oder mehr Regierungsbezirke. Die Regierungen dieser Bezirke teilte man wieder in zwei Abteilungen, in die des Innern und die der Finanzen; doch wurden beide einem Regierungs-Präsidenten unterstellt. Die Regierungen der Provinz Sachsen wurden in Magdeburg, Merseburg und „in Thüringen zu Erfurt" errichtet. Magdeburg wurde zugleich der Sitz des Ober-Präsidenten. Die Regierung zu Erfurt trat am 3. April 1816 in Tätigkeit und verkündete in Nr. 2 des Amtsblattes vom 5. April 1816, daß der Regierungsbezirk in neun Kreise geteilt sei, darunter der Stadtkreis Erfurt mit 14 500 und der Landkreis mit 12 588 Einwohnern. Außer „Stadt und Gebiet Erfurt mit dessen Tependenzen" (Zubehör) umfaßte der Regierungsbezirk noch die „Hennebergischen Aemter Schlenfingen, Suhl, Kühndorf und Bens-haufeu, die Thüringischen Aemter Weißensee und Langensalza nebst den von dem Kreisami Tennstedt verwalteten Ortschaften, das Eichsfeld mit seinen Dependenzen, die Grafschaft Hohenstein und die Städte Nordhausen und Mühlhausen mit ihren Gliedern." Ein Teil des alten Erfurter Gebietes, nämlich die Grafschaft Blankenhain, außer dem Amt Wandersleben, welches preußisch und bei Erfurt blieb, und die Aemter Schloß-Vippach, Azmannsdorf und Tonndorf wurden an Sachsen-Weimar abgegeben, von dem Ringleben gegen Nöda eingetauscht wurde. Anderer alterfur-tifcher Besitz, Sömmerda, Röhrborn und Schallenburg sowie Groß-vargula, blieb wohl preußisch, wurde aber bei der Besitzregelung anderen Kreisen des Regierungsbezirkes Erfurt zugeteilt. Die ersten drei Orte erhielt der Kreis Weißensee, Großvargnla aber kam zu Langensalza?)
Wie schon oben erwähnt, waren anfangs Land- und Stadtkreis voneinander getrennt und wurden auch getrennt verwaltet. Später aber wurde eine Personal-Union für zweckmäßiger gehalten, wonach der Landrat zugleich Oberbürgermeister der Stadt sein sollte; nur die Geschäftsführung blieb getrennt (1818). Doch diese Aenderung war nicht von Bestand. 1831 wurde die Personal-Union ansgehoben, und Ersurt hatte einen besonderen Oberbürgermeister zu wählen. Es geschah dies zum ersten Male 1833. Stadt und Land bildeten nun bis zum Jahre 1872 einen gemeinschaftlichen Kreis. Am 1. Januar 1872 schied die Stadt aber wieder aus dem bisherigen Kreisverband aus und bildete mit dem Königlichen Steigerforste, den Stadtkreis Erfurt. Seit dieser Zeit besteht
') Ost- und Westvreußen damals nur eine Provinz. — Zuerst hatte man den Staat sogar in 10 Provinzen geteilt.
2) Die kirchliche Einrichtung ist heute noch die alte: Sömmerda und Var-gula gehören zur Diözese (geistlicher Amtsbezirk) Erfurt.
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des boites pour un, deux, trois gros la piece.“ Bald drängte sich ein dichter Haufe Käufer um ihn. Seine Ware fand reißend Absatz, da sie wirklich mit vielem Geschmack gefertigt war. Der gute Herzog hatte gewiß vor zehn Jahren nicht geglaubt, daß ihm einst ein solcher elender Handel noch das Leb-rn fristen würde.
Die unzufriedenen Erfurter: Der Aufenthalt der Vertriebenen brachte für die Bürger mancherlei Unangenehmes mit sich. Recht war es den Erfurtern schon, daß sie ihre leer stehenden Wohnungen zu einem guten Mietszins an die Fremden losschlagen konnten; erhielten sie doch für einige Zimmer monatlich 4 bis 8 Karolins (eine Goldmünze, benannt nach dem Pfalzgrafen Karl Philipp 1732, im Werte von rund 19 Mark). Unangenehm aber empfanden sie die Unkenntnis der Fremden hinsichtlich des Wertes der einheimischen Münzen. Wenn der Bauer für seine Lebensmittel oder für den Haufen Brennholz einen Taler forderte, so zahlten sie immer mit einem Laubtaler (frz. Münze = 1 Taler 17% Groschen) und verteuerten dadurch die Waren. Zuletzt wollten die Bauern Lebensmittel und Holz nur noch an die Franzosen verkaufen und sich mit den Bürgern in keinen Handel mehr einlassen. Dadurch wurden einige Male unruhige Auftritte herbeigeführt und einige Emigranten mißhandelt. Um in Zukunft solches zu vermeiden, erließ der Stadtrat eine Verordnung, worin er die Marktfreiheit in nachdrücklichen Schutz nahm. (Nach Const. Beyer.)
65. König Friedrich Wilhelm Iii. und [eine Gemahlin, die Königin Luise, besuchen ihre neuen licindeskinder.
Ankündigung des 1 Besuches: Als Erfurt ein Jahr preußisch war, verbreitete sich in der Stadt die Nachricht von der baldigen Ankunft des hohen Paares. Mit großen Erwartungen sahen die Erfurter dem Besuche entgegen. Man hatte soviel von der Anmut der Königin und der gnädigen Gesinnung des Königs gehört und war darum auss höchste gespannt. Es war nur schade, daß der neue Landesvater bei seinem schlichten Wesen sich allen kostspieligen Aufwand bei feinem Empfange verbeten hatte.
Vorbereitungen zum Empfang: Am 30. Mai 1803 hielten die hohen Herrschaften ihren Einzug. Lange vor ihrer Ankunft war die Gegend um die Statthalterei, der Anger, die Krämpfer-straße und die Krämpser-Vorstadt von einer unzähligen Volksmenge besetzt. Die Schuljugend bildete Spalier. Zwischen je zwei Knaben, die Blumengirlanden hielten, stand ein weißgekleidetes Mädchen mit einem Blumenkörbchen am Arm. Selbst auf der Treppe, die zum großen Saal der Statthalterei führte, hatte die Schuljugend Aufstellung genommen. — Alle harrten in dieser Stellung fünf lange Stunden, von 4 Uhr bis 9 Uhr abends. Etwa eine halbe Stunde vor der Ankunft des hohen Paares kam ein Gewitter-
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Extrahierte Personennamen: Karl_Philipp_1732 Karl Philipp Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Luise
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regen, der die ermüdeten Kinder aufeinander trieb, nur die auf der sparsam erleuchteten Treppe der Statthalterei hielten aus.
Begrüßung der Königin: Endlich verkündeten einige 30 Kanonenschüsse' die Ankunft. Als die hohe Landesmutter aus dem Wagen stieg und die Treppe hinaufging, streuten die Mädchen Blumen, über die sie frohlächelnd hinschritt. Jetzt trat die Tochter des Diakonus Lossius (Predigerkirche) vor und hielt eine kurze Ansprache. In ihr empfahl sie die Erfurter Landeskinder der Königin Huld und Gnade. Dann überreichte ein anderes Mädchen ein Gedicht, welches die Königin gnädig annahm; auch dankte sie liebevollen Tones für die ihr erwiesene Aufmerksamkeit (f. Aulabild der Königin Luise-Schule „Empfang der Königin im Regierungsgebäude"). Als die Fürstin die Stiege verließ, um in den Saal zu treten, riefen ihr die Knaben ein lautes Lebehoch nach, in welches die übrigen Kinder freudig einstimmten.
Aufenthalt in Erfurt: An einem der folgenden Tage war
mittags offene Tafel, bei der auch die Herzöge von Weimar und Gotha zugegen waren. Während derselben führten die Böttcher auf dem freien Platze vor der Statthalterei den berühmten ^chäff-lertanz, einen Reifentanz, auf. Nach aufgehobener Tafel besichtigten die hohen Herrschaften die Merkwürdigkeiten der Stadt. Sie lenkten ihre Schritte nach dem Petersberge und besahen dort die schöne Kirche des Petersklosters und in ihr das Grabmal des der Sage nach zweibeweibten Grasen Ludwig (Ernst) von Gleichen. Auf dem Dom stiegen sie bis zur berühmten Maria Gloriosa empor und bewunderten von der Zinne des mittleren Turmes die herrliche Aussicht über Stadt und Land. Die Nonnen des Klosters zum Neuenwerk ließen der Königin Luise ein zierlich geflochtenes Körbchen mit allerlei felbstgefertigten Arbeiten überreichen. Die Königin nahm es gnädig an und übersandte als Gegengeschenk zwei Friedrichsdor. Auch die Erziehungsanstalt der Urfulinen genoß die hohe Ehre, von dem Königspaare besucht zu werden. Beim Besuche des evangelischen Waisenhauses wurde der König mit seiner Gemahlin von den in zwei Reihen aufgestellten Zöglingen mit einem herzlichen Lebehoch begrüßt. Die hohen Herrschaften schrieben ihre Namen in das ausgelegte Fremdenbuch und beschenkten das Waisenhaus reichlich. Der König allein stiftete 100 Friedrichsdor, welcher Summe die Königin 10 Goldstücke aus eigener Börse hinzufügte. Auch betraten beide die auf dem Saale des Waisenhauses liegende kleine Zelle, in der einst der große Gottesmann Luther eine Zeitlang gewohnt' hatte.
Festlichkeiten zu Ehren des hohen Paares: Am Abend
dieses Tages war die Stadt herrlich erleuchtet. In besonders hellem Glanze erstrahlte der Hirschgarten, welcher vom Balkon der Statthalterei gut in Augenschein genommen werden konnte. Mitten im Garten war ein offener Tempel errichtet. Er stand auf acht Säulen und aus seiner durchscheinenden Kuppel thronte die Kriegs-
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_(Ernst Ludwig Ernst Maria_Gloriosa Maria Gottesmann_Luther